Pädagogik

1991 erklärte die UNESCO den Ansatz der städtischen Kindertagestätten der Stadt Reggio Emilia zur weltbesten Pädagogik. In der norditalienischen Stadt wird nämlich seit den 60 Jahren ein revolutionäres Bild des Kindes als aktiven Konstrukteurs seiner Entwicklung und der Erziehung als Aufgabe eines sozialen Netzes tagtäglich gelebt. Kinder dürfen dort die unterschiedlichsten Erfahrungen machen, sie werden mit Kunst, Literatur, wissenschaftlichem Experimentieren konfrontiert wenn sie noch Windeln tragen. Sie erkunden ihre Stadt und die Menschen, die dort leben und nehmen an demokratischen Entscheidungen teil, sie erschaffen eine neue Welt und erfahren die Bewunderung ihrer Begleiter*innen.
Denn Kinder werden in Reggio als ressourcenreich angesehen, als Forschende, Kunstschaffende und Dichter*innen angesehen, die uns Erwachsene jeden Tag aufs Neue zum Staunen bringen.

Ein Kind ist aus hundert gemacht.

Ein Kind hat hundert Sprachen, hundert Hände,
hundert Gedanken,
hundert Weisen zu denken, zu spielen, zu sprechen.

Hundert, immer hundert Weisen zu hören,
zu staunen, zu lieben,
hundert Freuden
zu Singen und zu Verstehen.
Hundert Welten zu entdecken,
hundert Welten zu erfinden,
hundert Welten zu träumen.

Ein Kind hat hundert Sprachen,
(und noch hundert, hundert, hundert), aber neunundneunzig werden ihm geraubt.
Die Schule und die Kultur trennen ihm den Geist vom Körper.
Sie sagen ihm,
ohne Hände zu denken,
ohne Kopf zu handeln,
nur zu hören ohne zu sprechen,
ohne Freuden zu verstehen,
nur Ostern und Weihnachten
zu staunen und zu lieben.

Sie sagen ihm, es soll
die schon bestehende Welt entdecken. Und von hundert
werden ihm neunundneunzig geraubt. Sie sagen ihm,
dass Spiel und Arbeit,
Wirklichkeit und Fantasie,
Wissenschaft und Vorstellungskraft, Himmel und Erde,
Vernunft und Träume
Dinge sind, die nicht zusammen passen. Ihm wird also gesagt,
dass es Hundert nicht gibt.
Das Kind aber sagt:
„Und es gibt Hundert doch.

— Loris Malaguzzi, 1920-1994
2015-05-10 18.33.34

Das kompetente Kind und sein*e Begleiter*in

Kinder sind eifrige Forscher*innen, die vom ersten Lebenstag an, komplexe Strategien entwickeln, um sich Kenntnisse über die Welt selbst  anzueignen. Ihre Entdeckungsreise durch die Welt ist von ausgefeilter Methodik und Ausdauer geprägt. Diese Fähigkeiten will die Reggio-Pädagogik begleiten und unterstützen. Daher sind pädagogische Fachkräfte in diesem Ansatz rücksichtsvolle Weggefährt*innen, die einerseits Interessen und Entwicklungschritte beobachten andererseits Untersuchungen und Erfahrungen ermöglichen.

Künstler*innen, Forscher*innen und Dichter*innen

Ästhetische Bildung spielt bei uns eine wichtige Rolle. Damit Kinder sich in allen ihren 100 Sprachen ausdrücken können, haben wir ein Atelier, ein Theater, eine Werkstatt und Bäder, in denen mit Wasser spielen nicht nur erlaubt sondern unabdingbar ist. Wir hören Musik nicht nur aus CDs und im Streaming, sondern auch von Musikschaffenden, die entweder zu uns kommen oder, die wir besuchen. Wir lesen Büchern in zwei Sprachen und lassen uns von Omas und Freund*innen vorlesen, aber wir „machen“ auch eigene Bücher. Wir haben wenig Spielsachen aber viele Sachen zum Spielen, Alltags- oder geheimnisvolle Gegenstände, die wir untersuchen, auseinanderbauen, zum Leben erwecken.

Der Raum als 3. Erzieher

Kinder lernen in erster Linie von und mit anderen Kindern. Dann kommen die Erwachsenen, dazu gehören die Eltern, die Familie und die pädagogischen Fachkräfte. Sie sind Vorbild und Begleiter*innen. Der dritte nicht weniger wichtige Erzieher ist die Umwelt. Letzterer beginn in den Räumen der KiTa und erstreckt sich in der ganzen Stadt. Die Räume der KiTa sollen deshalb Anregung aber auch Rückzugsmöglichkeiten bieten. Der soziale Raum um die KiTa soll aber ebenfalls in die pädagogische Arbeit einfließen. Deshalb machen die Zebras regelmäßig Ausflüge, besuchen Museen, Theater, Gärten oder laden Besucher*innen ein, die Interessantes zu erzählen haben.

Der gemeinsame Bildungsauftrag

In Reggio Emilia sind Kindergärten in Rahmen von Eltern-Bürgerinitiativen entstanden. Die Zuständigkeitsgrenzen zwischen Eltern, Lokakpolitik und pädagogischen Fachkräften sind dort deshalb keine Barriere.  Obwohl wir diese politischen Begenbenheiten nicht reproduzieren können, begegnen wir Eltern als gleichberechtigten Erziehungspartner*innen. Deshalb duzen wir uns und sind in der Kommunikation offen. Durch die  “sprechenden Wände”- die analog und auch digital sind – machen wir unsere Arbeit transparent, erzählen von den Aktivitäten der KiTa und freuen uns über Anregung. Der KiTarat, der aus KiTa-Personal und Elternvertreter*innen besteht, trifft sich regelmäßig im offenen Dialog.